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Zuerst stand Guatemala gar nicht auf unserer Liste und nun ist dieses wunderbare, bunte und authentische Land zu unserem persönlichen Liebling auf unserer Reise durch Mittelamerika geworden. 2 Monate sind wir im Winter 2016 durch 5 Länder gereist und haben definitiv unser Herz in Guatemala verloren. Warum? Die abwechslungsreiche Landschaft ist atemberaubend, die alte Kultur der Mayas haut einen vom Hocker und die aktiven Vulkane rauben einem den Atem. Dieses Land hielt uns gefangen, und das nicht nur im übertragenen Sinne, denn tatsächlich wurden aus geplanten zwei Wochen doppelt so viel. Es waren die rauen Straßen von Guatemala-Stadt, dieser leicht morbide Look von Antigua, die Menschen auf dem Markt in Chichicastenango, der innere Schweinehund, der unzählige Male bekämpft werden musste, als wir den Pfaden zur Spitze des Vulkans Acatenango folgten, die sonnigen Hippie-Stunden am Lago de Atitlán, die nebeligen und mystischen „Pyramiden“ von Tikal, der Bootsritt auf dem Rio Dulce (Süßer Fluß) bis nach Livingston und die türkisblauen Pools von Semuc Champey.

Jeder warnte uns vor diesem Teil der Erde und irgendwie hatte jeder eine Geschichte parat, die ihm selbst oder engen Bekannten widerfuhr, warum man die Finger davon lassen sollte. Wenn wir google anschmissen tauchten so viele Geschichten auf – Horrorgeschichten über Abzocke, Raubüberfälle und andere „Gefahren“ in Mittelamerika. Eigentlich müssten wir es besser wissen, schließlich wurden wir bereits in Asien und Afrika eines besseren belehrt und sind jedesmal mit dem Vorsatz nach Hause: „nächstes mal lassen wir uns nicht täuschen und reisen unvoreingenommen ab“. Aber wie immer muss man es erst selbst erfahren, bevor man frei wird im Kopf. Also rein ins Abenteuer.

Wir verlassen unser graues Lüneburg Anfang 2016 und haben ein leicht mulmiges Gefühl als wir mitten in der Nacht nach 18 Stunden Flug und 3 Stopps in Guatemala Stadt ankommen. Wir entschieden uns vorab noch in der Nacht der Ankunft weiter in das kleine Städtchen Antigua zu fahren. Die ersten 3 Nächte in einem Hostel sind das einzige was wir für diese 2 Monate geplant hatten. Wie wir feststellen ist das genau richtig, denn schon am ersten Tag beim Stadtspaziergang werden wir von Marco angesprochen ob wir nicht in seiner Familie Spanisch lernen möchte. Unbedingt, denn schon kurz nach der Ankunft durften wir feststellen, dass unsere Spanisch Kenntnisse nicht einmal zum einkaufen von Trinkwasser genügten.

Wir ziehen in das Haus der Großfamilie ein und leben und lernen mit ihnen – 8 Tage lang. Mittlerweile können wir wenigstens einige Zusammenhänge aufschnappen, müssen nicht mehr verdursten und selbst die Speisekarte und Busfahrpläne stellen keine Probleme mehr da.

Antigua ist im Nachhinein betrachtet die schönste Stadt die wir in Mittelamerika entdecken. Kopfsteinpflaster führt uns durch unzählige Gassen an bunten und pastellfarbenen Kolionalbauten vorbei, immer umrandet von 3 Vulkanen von denen der Fuego noch aktiv ist. Wir haben das große Glück an einem Abend den Fuego ausbrechen zu sehen, kurzerhand schnappt uns ein Schwager von Marco und bringt uns in der dunkeln Nacht bis auf 5 km zum Feuer spuckenden Spektakel. Wir erstarren bei dem Anblick von diesem Naturwunder, blinzeln durch die Aschepartikel die durch den Nachthimmel fliegen und lauschen dem nicht aufhörenden Donner.

Antigua ist von vielen Vulkanen umgeben. Eine erste  2-stündige Wanderung auf den Vulkan Pacaya soll uns für weitere Vulkanabenteuer trainieren. Oben angekommen bietet sich uns ein Vorgeschmack auf die größeren Gipfel. 🙂

Nach diesem Lavaerlebnis beschließen wir dem Ganzen noch näher zu wollen und zwar zu Fuss. Wir möchten auf den Nachbarvulkan Acatenango wandern und das ganze Ereignis mit 3.976 m fast auf „Augenhöhe“ miterleben. Nur eine Nacht ist vergangen, aber der Vulkan gibt keinen Mucks mehr von sich, aber egal, wir wollen trotzdem hoch. Jeder der diese Wanderung kennt, wünscht uns Glück und Durchhaltevermögen. Es scheint taff zu sein, aber jeder ist schließlich hoch und wieder runtergekommen, also kann es so schlimm nicht sein, denken wir. In diesem Moment und bei diesem Gedanken vergessen wir wohl dass noch fast 20kg Gepäck auf jeden von uns wartet. Natürlich müssen das Zelt, die Verpflegung und die Kameras auch mit. In 8 schweißtreibenden Stunden fragen wir uns nahezu jede Minute, warum wir uns für Guatemala und eine Vulkanwanderung entschieden haben anstatt für einen Cocktail am Strand von Thailand. Wir schlagen unser Zelt auf, essen eine Nudelsuppe am Lagerfeuer und schauen in den Sternenhimmel.  Wir liegen auf dem Dach Guatemalas und sind stolz auf uns. Nach 4 Stunden frieren und dösen auf dem harten Vulkanboden wollen wir das letzte Stück auf die Spitze antreten und dieser Teil ist „verdammt noch Mal“ das allerheftigste was wir je gemacht haben. In Dunkelheit gehen wir 3 steile Schritte auf Geröll nach oben und rutschen 2 wieder hinunter. Die letzten 400 Höhenmeter killen uns, aber immerhin schafft es Björn auf die Spitze, während Anne leider die Zeit davon läuft und 50m vor der Spitze umkehren muss.

Viele Sonnenaufgänge sind wunderschön anzusehen, aber die für die man so viel tun muss, bleiben ewig in Erinnerung. Beim Abstieg gibt uns der Fuego doch noch ein kurzes Rauchzeichen und wir sind glücklich, kaputt und so dreckig wie noch nie.
Der Lago de Atitlán beeindruckt uns mit Sonnenschein, vielen Bootfahrten, Hippie-Gefühlen und einer weiteren Wanderung zum Aussichtspunkt „Indian-Nose“. Hier können wir unsere ersten Spanisch-Kenntnisse auf dem Markt von Chichicastenango einsetzten und sind fasziniert von der puren Authentizität, dem bunten und lauten treiben der Menschen. Es duftet nach Gewürzen, jeder hat die unterschiedlichsten Dinge zu verkaufen. Leider schauen wir auch in viele Tieraugen, die auf einen Schlachter oder neuen Besitzer warten.

Mit dem Chickenbus geht es auf Schotterpisten und durch Schlaglöcher zu den türkisgrünen Pools von Semuc Champey. Wir entscheiden uns nicht für die bequeme Touri-Variante und laufen im Regen und auf eigene Faust zu den Quellen. Es ist unglaublich dass wir nun nach 8 Stunden Busfahrt ein komplett anderes Klima erfahren. Dies ist der pure Dschungel, es wimmelt von Insekten, Spinnen und das schlafen in unser Holzhütte mit immer feuchter Matratze ist eine „interessante“ Erfahrung.

Nachdem wir den Aussichtspunkt für den Blick über die natürlichen Pools erklommen haben, tat die Erfrischung in dem kühlen Gewässer mehr als gut.

Sie gehören zum nördlichsten Teil Guatemalas und gewähren einen Einblick in eine alte, längst vergangene Zeit – die Mayastätten von Tikal. Vom Dschungel Semuc Champeys ging es weitere 8 Stunden im Minibus nach Flores, einem der Ausgangspunkte für den Trip nach Tikal.

Seit unseren ersten Schritten auf dem Boden Zentralamerikas schwang immer dieses seltsame Gefühl im Hinterkopf mit, dass diese Ganze Welt eigentlich eine ganz andere sein müsste, dass spanische Eroberung, europäische und amerikanische Einflüsse leider viel der eigenen Kultur genommen haben. Heute bewegt man sich in einer angepassten Welt, die zwar noch Spuren eigner Kulturen zeigt – aber leider eben nur noch Spuren. Es gibt sie noch, die Nachkommen der Maya, dem Volk dem die ersten Eroberer begegnet sind. Jedoch sind die alten Traditionen und Bräuche meist nicht mehr besonders ausgeprägt und stark vermischt mit dem was wir heute als „westliche Kultur“ bezeichnen würden.

Tikal ist dabei wie eine Reise in eine Zeit in der sich Menschen auf diesem Teil der Erde noch völlig unabhängig entwickelten. Die Maya haben schon lange vor dem eintreffen der Konquistadoren viele Umbrüche erlebt und so war Tikal bereits verlassen bevor die ersten Europäer den amerikanischen Kontinent betraten. Aber wenn man sich heute durch die unter Dschungel verborgenen Stadt bewegt, fühlt man sich wie zurückversetzt.

Wir haben uns für ein sehr frühes Aufstehen entschieden um das Erwachen der Bewohner des Dschungels mitzuerleben. Was wir aber nebenbei noch mitgenommen haben, ist das unglaublich mystischen Gefühl, in völliger Dunkelheit den Lichtkegel seiner Taschenlampe über die von Bäumen und anderen Pflanzen bewachsenen Tempelanlagen gleiten zu lassen. Am Anfang leuchtet man vergebens durch das Dickicht einer grünen Wand bis man nach einiger Zeit endlich ein paar quaderförmige Steine und noch später endlich erste Bauten dieser vergangen Zivilisation entdeckt. Eine Entdeckerstimmung die wir so noch nicht erlebt haben.

Tikal ist touristisch sehr gut erschlossen – es gibt Tempel die komplett freigelegt vor kurz getrimmten Rasenflächen stehen, aber gleichzeitig ist das Gebiet so groß, dass bis heute nur ein Bruchteil freigelegt wurde, so dass man auf sehr vielen Wanderwegen an vielen noch völlig zugewachsenen und verschütteten Ruinen in mitten des Dickichts vorbeikommt.

Die Zeit der Eroberer ist lange her und Tikal selbst war nicht Opfer dieser Zeit – aber dennoch blieb ein leicht fader Beigeschmack und die ständige Frage im Hinterkopf wie die Welt wohl heute hier aussehen würde.

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